"Sie hat mich gleich so frech angeguckt"

Der Fotograf Robert Lebeck erzählt, wie er Romy Schneider erlebt hat

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INTERVIEW
Bettina Fächer

1976 traf Robert Lebeck sie zum ersten Mal persönlich: Romy Schneider nannte ihn "Lebo" und fasste sofort Vertrauen. So gelangen ihm beeindruckend persönliche Aufnahmen von Romy Schneider. Der renommierte Fotojournalist öffnete uns sein Archiv: Im SWR.de-Webspecial "Romy" sind bekannte, aber auch 20 bisher unveröffentlichte Lebeck-Fotos zu sehen. Im Interview erzählt er die Geschichten hinter den Bildern.

SWR.de: Herr Lebeck, welches ist Ihr Lieblingsbild, das Sie von Romy gemacht haben?

Robert Lebeck: Das erste, das ich gemacht habe. Dieses Bild, wo sie die Mütze auf hat. Ich hab das hier auf Plakat hängen. Sie hat mich so frech angeguckt und so heiß geflirtet, gleich in den ersten Sekunden.

Rechts: Romy Schneider. Links: Robert Lebeck in seinem Archiv. (Foto: SWR, Bettina Fächer)
Robert Lebeck in seinem Archiv

Das war das erste Bild, das Sie von ihr gemacht haben?

Naja, ich hatte sie fotografiert, da war sie 18 und 20, auf dem Filmball in Berlin - einmal mit Hardy Krüger und einmal tanzend mit Joachim Fuchsberger. Aber immer ohne sie anzusprechen, so gestohlene Fotos ... Man steht da, und sie merkt es gar nicht, so wie Hardy Krüger das auch nicht gemerkt hat.

Aber beim Foto mit der Mütze, da war es anders ...

Das war 1976 bei den Dreharbeiten zu "Gruppenbild mit Dame". Da war ich angemeldet: Da kommen zwei vom "stern". Der Schreiber hieß Alfred Nemeczek - Nemo nannten sie ihn. Gedreht wurden die letzten Einstellungen hier in Berlin und in Zwettl in Österreich.

Es war bitterkalt in Berlin im Dezember, und Romy musste im Cabrio hin und her fahren. Sie war viel zu leicht angezogen, man sieht es auch auf den Fotos, wie sie friert. Sie tat einem richtig leid.

Sie hatte einen Wohnwagen bekommen, um sich auszuruhen, und alle 20 Minuten spätestens musste sie sich dort aufwärmen. Das war das erste Mal, dass wir auch gesprochen haben. Gleich in der ersten Minute hat sie mich getauft, da war ich Lebo. Also nicht: le beau [der Schöne, Anm.d.Red.], sondern Lebo. Nicht auf Französisch, sondern Berlinisch. Und ich hab das gerne angenommen. Der Kontakt war da. Jetzt konnte ich also ertragen, was so alles kam. Aber es war schön.

Wenn Sie da durchs Objektiv schauten, was haben Sie gesehen: eine Schauspielerin?

Nö. Eine junge Frau, die mich anlächelt – einladend anlächelt, könnte ich fast sagen.

Am Abend kam ihr Mann, Daniel Biasini, aus Paris geflogen, und wir trafen uns alle bei ihrer Freundin Christiane Höllger. War ein netter Abend, und ich hab pausenlos fotografiert, bei Kerzenlicht auch. Da ist auch dieses bekannte Foto entstanden, wo sie vor Biasini kniet, er im Schaukelstuhl. An dem Abend hatte ich nur die Leica. Der Apparat war so winzig, das tat niemandem weh, wenn da mal gedrückt wurde.

Am nächsten Tag ging es weiter. Da wurde sie geschminkt auf 65, zwei junge Männer waren voll damit beschäftigt. Und es sah echt aus, sah richtig gut aus. Die nächste Station war Zwettl. Da sprach sie immer nur von dem unendlichen Chaos bei den Dreharbeiten. Sie war schon am Resignieren. "Der Film wird nichts", sagt sie.

Das kommt ja jetzt auch im Fernsehfilm "Romy" vor: Sie wollte geliebt oder gemocht werden von Heinrich Böll. Es hat sie sehr gekränkt, dass er erst eine andere Schauspielerin für "Gruppenbild mit Dame" haben wollte. Und den wollte sie unbedingt überzeugen, dass sie gut ist und gut spielt und gut für den Film ist. Das hat Alice Schwarzer alles in ihrem Buch beschrieben.

Romy Schneider hat oft auf die "Scheiß-Presse" geschimpft, und fühlte sich von manchen Fotografen ausgenutzt - und doch posierte sie manchmal für sie. Haben Sie bei ihr etwas von dieser Ambivalenz gespürt?

Ich wusste das gar nicht.

Szene aus dem Film „Romy“: Jessica Schwarz (Romy) und Thomas Kretschmann (Romys Ehemann Harry Meyen) bei der Beerdigung von Romys Vater. (Foto: SWR, ORF / Franz Neumayr)
Filmszene aus "Romy": Fotografen bedrängen Romy Schneider beim Begräbnis ihres Vaters

Gab es für Romy Schneider also Fotografen, die ok sind, und andere, die nicht ok sind?

Anscheinend.

Das kommt ja gut genug raus, in dem Film "Romy": Wenn die Fotografen über die Friedhofssteine stolpern und wie so eine Meute ...

Sowas hätte ich nie mitgemacht. Ich könnte nicht auf der Mauer stehen im Friedhof und da rüberklettern. Es ist albern zu sagen: "Dafür bin ich mir zu gut". Aber es ist so.

Obwohl, beim Begräbnis von Heinrich Böll zum Beispiel, da hieß es auch, es soll nicht fotografiert werden. Aber der Trauerzug ging durch den Ort durch, und das war eine öffentliche Angelegenheit. Man kann das ja wirklich ein bisschen taktvoll machen. Das war überhaupt kein Kunststück.

Mit meiner Art zu fotografieren sind alle immer einverstanden. Hinterher wollten sie auch alle Bilder haben, wie immer, und haben selbstverständlich angenommen, dass ich gute Fotos gemacht habe. Das war auch so.

Aber bei der Beerdigung von Harry Meyen und auch von Romy Schneiders Sohn David war ich nicht dabei. Da hat auch niemand beim "stern" gesagt, ich soll das machen.

Wenn Sie Romy Schneider getroffen haben, was haben Sie getan, um ihr Vertrauen zu gewinnen? Oder war das gar nicht nötig?

Nee, die mochte mich auf Anhieb - und ich sie natürlich auch. Das sprang voll über, im Nu, durch einen Blick. Sie hat mir von Anfang an sofort vertraut. Da war überhaupt kein Problem.

Was war denn das Besondere an ihr?

... (überlegt länger) ... Sie war maßlos attraktiv. Ich lag ihr einfach zu Füßen, aber ohne es zu tun! Ich fand sie wunderbar, und das hat sie wohl gleich gemerkt.

Was das Besondere war, was sie noch nicht erlebt hatte: dass ich nicht versucht hab, sie zum Posieren zu überreden. Ich war einfach ganz lieb. Und sie hat ja gehört, wann ich fotografiert hab. Ihr gefiel das einfach, dass ich nicht - wie man bei uns so sagte - fotografiert hab, während sie in der Nase bohrte.

Sie haben einmal übers Fotografieren gesagt: "Das Gefühl spielt schon mit. Aber man muss aufpassen, dass es nicht soweit kommt, dass es die Arbeit überdeckt und das Foto kaputt macht." Mussten Sie bei Romy Schneider da aufpassen?

Das war bei mir immer so: Erst die Arbeit, und dann das Vergnügen. Das war für mich immer die Hauptsache, das kommt zuerst. Denn ohne Aufträge vom "stern" und ohne Vorbereitung, also Anmeldung über die Pressestelle beim Film oder was auch immer, wäre ich ja nie dort gewesen, nicht?

Also, was sie auch immer gesagt hat, als sie mir diesen Zettel unter die Tür geschoben hat ...

Den Zettel, können Sie das kurz erklären?

Ich dachte, das kennt man nun ja ... Das war in Zwettl in Oberösterreich. Ich war ganz kurz erst im Hotelzimmer, und dann merke ich, da kommt ein Zettel durch die Türritze. Ich hab den Zettel natürlich immer noch. Bei jedem Romy-Interview kommt dieser Zettel zur Sprache. Da steht also drauf, aber ziemlich schwer zu lesen: "Du machst mir Angst, und ich mach mir Angst. Vergiss mich schnell, aber bitte sag mir Gute Nacht". Also: bitte komm, hieß das.

Und da hab ich eine Handvoll Filme in die Taschen gesteckt und nur die Leica mit 'nem normalen Weitwinkel und bin 'rüber zu ihr. Die Tür lehnte nur an, und sie saß im Bett - mit ihren Stulpenschuhen, die bis zum Knie gingen. Draußen war das sinnvoll, solche Stiefel anzuhaben, aber im Bett, das fand ich doch sehr eigenartig. Hab ich auch gleich gesagt: "Sag mal, muss das sein? Kannste nicht die Schuhe ausziehen?" Also hab ich doch mal nachgeholfen ...

Wir haben stundenlang geredet, sie hat alles erzählt ... Es ging wirklich sehr ins Private, was mich erstaunte. Aber daran merkt man vielleicht: Sie hat von Anfang an in mir einen Freund gesehen oder eben Lebo, der nichts Böses tut und der immer harmlos guckt.

Mit ihr passierten eigentlich immer irgendwelche Wunder. Genauso wie dann um vier Uhr morgens. Ich konnte einfach nicht mehr, bin eingeschlafen. Alle Männer werden mich für verrückt erklären. Aber an erster Stelle stand, dass ich Fotos machen wollte - ständig. Und an zweiter, dass ich schlafen wollte, ich war müde. Und dann kam erst an dritter Stelle, dass ich mir bewusst war, dass eine sehr attraktive Frau da neben mir schläft.

Und vier Jahre später in Quiberon, da war das alles noch so lebendig, obwohl wir überhaupt nicht telefoniert oder uns geschrieben haben. Nach einer Nacht-Begegnung in einem Bistro wollten wir am Morgen ein paar Bilder am Strand an den Felsen machen, die direkt vorm Hotel waren – oder Sanatorium, was immer das war. Und dann fing sie an und sprang von einem Felsen zum anderen. Zum Glück hab ich sie nicht ermuntert, sondern mich wieder mal zurückgehalten und nur das aufgenommen, was sie mir geboten hat. Plötzlich ist sie irgendwie verkehrt gesprungen. Tatsächlich hatte sie sich den Fuß gebrochen.

Die nächsten Fotos, die ich von ihr gemacht habe, die waren dann mit Gips. Das war in Paris, und Sarah war selig und hat mit ihr gespielt.

In Paris haben Sie sie besucht?

Ich musste. Michael Jürgs hatte einen Text gemacht [ein "stern"-Interview in Quiberon, Anm.d.Red.], und sie sollte ihn abzeichnen, also autorisieren. Und das hat sie auch gemacht, ohne reinzugucken. Bloß weil ich ihr das mitgebracht habe und sie mir wieder vertraut hatte ... Sie hat unterschrieben und diesen Satz: "Ich werde weiterleben - und richtig gut" – den hat sie dann darunter geschrieben.

Das war aber nicht Ihre letzte Begegnung, als Sie sie in Paris besucht haben, oder?

Nein, aber die schönste. Das war wirklich eine Freude zu sehen, wie Sarah sich freute, dass die Mutter nicht wegkonnte, dass sie zur Verfügung stand zum Rumtoben und Spielen. Und sie war auch gut gelaunt. Entspannter hab ich sie kaum gesehen als mit dem gebrochenen Fuß. Das war ganz kurz nur, die Bilder waren schnell gemacht. Das sind die, die ich am liebsten hab von den beiden.

Später kamen dann zwei oder drei Besuche beim Onkel von Laurent Pétin [Romy Schneiders Lebensgefährte seit 1980, Anm.d.Red.]. Da hab ich auch ein Titelbild fotografiert, Romy mit Sarah, in Farbe. Und dann gab es ein letztes Mal. Das letzte Bild, was ich von ihr gemacht hab: Ich bin schon im Auto, und sie steht noch im Tor. Da war eine ziemliche Mauer um das Grundstück und das Tor war ziemlich hoch. Das war sehr gut geeignet gegen Paparazzi.

Wenn Sie dieses Bild heute anschauen: Sind Sie traurig?

Nein. Ich hoffte für sie ... Das war wirklich ein sympathischer junger Mann, der Laurent Pétain. Ich glaube, sie war drauf und dran, ein Haus zu kaufen. Das heißt, sie hatte ja kaum Geld. Wie sollte sie das bezahlen? Aber dann wird ihr jemand was leihen. Das Haus war so gelegen, das kann ich mir vorstellen, dass ihr das gefallen hätte, so ganz in der Landschaft und doch nah an Paris.

Wenn Sie das Bild ansehen ...

Ja, ich bin traurig, dass sie nicht mehr da ist. Das wäre schön geworden, dass man sich immer noch mal besuchen kann. Später hab ich ja in Frankreich ein Haus gekauft, da hätte sie gerne mal kommen und mit unseren Kindern spielen können, oder ihre Kinder mitbringen, und die hätten zusammen gespielt. Nun, das sind so Gedanken ...

Hat Sie Ihnen manchmal Angst gemacht?

Nee. Ich hätte Angst um sie gehabt, vielleicht.

Warum Angst um sie?

Weil sie immer so übertrieben hat. So ausschließlich ... Dieses Absolute. Wenn Liebe, dann ganz und gar, mit jeder Faser des Körpers und des Kopfes. Und wenn sie jemandem vertraute, dann 150-prozentig. Ja, man konnte schon Angst haben. Wer hat das gesagt mit der Kerze, die an zwei Enden brennt? Das stimmt ganz genau. Es ist nur so oft benutzt worden, dass ich mich nicht traue, es auch noch zu sagen.

Oft heißt es ja, Sie waren ihr Lieblingsfotograf. Woher kommt das? War das etwas, was sie tatsächlich so gesagt hat? Oder ist das Legende?

Bei der Film-Premiere von "Romy" in Berlin auch, da kommt eine Reporterin und sagt: "Sie waren ja ihr Lieblingsfotograf." Um mich zu überreden, etwas von mir zu geben.

Fühlen Sie sich geehrt, oder nervt Sie das?

Noch regt mich nichts auf ...

Ist ja kein schlechter Titel, Romys Lieblingsfotograf, oder?

Nein. Nur dummerweise hab ich dann immer das Bedürfnis, den Leuten klar zu machen: Hört mal, wenn ich zusammenzähle, wie viel Zeit ich mit ihr verbracht habe - das waren vier Tage! Andere Fotografen ... Giancarlo Botti hat sie auch nackt fotografiert.

Ich weiß noch genau, sie wollte mir die Narbe zeigen von der Nieren-Operation. Aber ich wollte das nicht sehen. Ich hätte das fotografieren können. Aber ich wollte es gar nicht. Manchmal war ich wirklich ein bisschen blöd. Aber ich fand, das hat im "stern" nichts zu suchen. Und warum sollte ich es dann machen? Ich hab trotzdem ein paar Bilder, da sieht sie ja wirklich sehr realistisch aus.

Haben Sie denn viele aussortiert, bei denen Sie gesagt haben, die will ich nicht zeigen?

Am Anfang schon. Fünf Jahre später hab ich ja dann ein eigenes Buch gemacht, und da war auch dieses Bild drin, wo sie wirklich ziemlich zerknautscht aussieht. Das hätte ich zu Lebzeiten nicht veröffentlicht. Aber so ...

Dann sieht man: Auch eine Frau, die so elegant aussehen konnte, manchmal wirklich zurecht gemacht und geschminkt, mit 'ner kleinen Mütze auf - so Zwanziger Jahre stand ihr ja phantastisch. Sie konnte so glamourös aussehen! Aber sie konnte auch aussehen, wirklich ...

... ganz normal ...

Graue Maus ist dann doch richtig, nur das ist auch schon so besetzt. Aber ich mochte nie diesen Aufwand. Ich konnte das nicht: eine Stylistin mitbringen und einen Make-up-Menschen.

Einmal sind wir durch München gelaufen zum Frisör, weil ich ein Titelbild machen sollte. Da sollte der Kontrast rauskommen: Ich musste sie jung und hübsch fotografieren, und sie hat das Bild in der Hand, wie sie für den Film "Gruppenbild mit Dame" auf 65 geschminkt ist.

Da hab ich noch nicht begriffen, warum sie das Bild nur einmal in die Hand nahm. Und dann durfte ich nicht mehr sagen, sie soll das anfassen. Nur anlehnen ... Dann hat sie es wohl noch mal angeguckt und hat sich vor sich selbst gefürchtet.

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INTERVIEW
Bettina Fächer