Musikmarkt: Hörbuch-Tipp

Beate Rygiert: Die Pianistin - Clara Schumann und die Musik der Liebe

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AUTOR/IN
Seniva Winterwerb

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Das Leben der Clara Schumann liefert noch immer Stoff genug für Erzählungen, Romane und Hörbücher – auch außerhalb von Jubiläen. Mit ihrem neuerschienenen Roman „Die Pianistin - Clara Schumann und die Musik der Liebe“ begibt sich Autorin Beate Rygiert auf die große Lebensreise der Komponistin und Pianistin. Schauspielerin Tessa Mittelstaedt gelingt es in dieser Hörbuchfassung mühelos, sich mit wechselnden Klangfarben in sämtliche Rollen einzufühlen. Eine spannende Reise in die Zeitgeschichte, 10 Stunden und 22 Minuten lang.

„Du bist etwas Besonderes, Clara“, hatte ihr Vater so oft gesagt. Vor allem, nachdem er streng zu ihr gewesen war und mitunter vor lauter Wut die Noten zerrissen hatte, wenn sie seiner Meinung nach nicht ordentlich spielte, sie zwang, tagelang nur Tonleitern und Kadenzen zu üben, ehe er ihr wieder erlaubte, etwas Richtiges unter die Finger zu nehmen. „Du bist dazu geboren, es ganz nach oben zu schaffen, dorthin, wo die Meister thronen. Clara, die Helle, die Leuchtende. Was glaubst du, warum ich dir diesen Namen gegeben habe?“    

Dieses Ziel wird Friedrich Wieck erreichen... Clara wird leuchten. Doch ihr Vater wird die Kontrolle verlieren, über „sein Geschöpf“…

Beate Rygiert beginnt ihren Roman über die große Lebensreise der Pianistin Clara Wieck im April 1835. Die 16-jährige Clara hat bereits eine beachtliche Anzahl öffentlicher Auftritte hinter sich und weiß, dass sie ihrem Vater, dem leidenschaftlichen Klavierpädagogen, viel zu verdanken hat. Das Klavierspiel ist ihr Trost und Zuflucht. Dennoch nimmt sie ihm seine Herrschsucht zunehmend übel. Nicht zuletzt weil er ihr die Briefe ihrer großen Liebe vorenthält.

Robert Schumann, den sie bereits mit 9 Jahren kennenlernt, als er im Hause Wieck einzieht um Klavierunterricht bei ihrem Vater zu nehmen, entfacht in ihr sehr bald nicht nur ihre erste Liebe…. Sie hält ihn für ein musikalisches Genie.

 „Die Welt befand sich an einem musikalischen Wendepunkt: die einen ließen nur das Alte gelten – Mozart, Haydn, Hummel, Scarlatti, selbst Beethoven war vielen schon zu revolutionär. Sie und Robert waren jedoch davon überzeugt, dass die Zukunft den »Neuen« gehörte: Liszt, Chopin, Berlioz, Mendelssohn – und Schumann. Musik, in der sich Virtuosität und Ausdruck der Empfindung die Waage hielten. Musik, die in der Lage war, Gefühle auszudrücken, für die es keine Worte gab.“

Die Romantik bahnt sich ihren Weg in der Musikgeschichte und Clara Wieck hat bereits eine feste Vorstellung von einem Leben mit Robert Schumann.

Es würde wundervoll werden, ihr Leben an Roberts Seite. Ein Leben voller Musik. Er würde ihr helfen, die Musik, die sie in ihrem Innern hörte, aufs Papier zu bringen, damit andere Menschen sie hören konnten. Und sie würde seine Werke aufführen, in Leipzig, Zwickau, Dresden und … ja, auch in Wien, Paris und London, in St. Petersburg, Berlin und wer weiß, vielleicht eines Tages in Rom.“

Die Musikwissenschaftlerin Beate Rygiert musste diesem Roman kaum fiktive Finessen hinzufügen. „Die Pianistin - Clara Schumann und die Musik der Liebe“ hangelt sich am Gerüst der biografischen Fakten entlang. Das ist kein Manko! Im Gegenteil. Nicht umsonst wurde das Leben der Clara Schumann bereits mehrfach verfilmt. Dieses Leben bietet nun wirklich ausreichend Stoff.

Dabei ist es vor allem ihre Rolle als Frau, die sie auch heute noch zu einer Ikone der Frauenbewegung macht. Nicht nur, dass sie gegen den Willen ihres Vaters auf einer Heirat mit ihrer großen Liebe besteht und nicht scheut, sie mit einer Gerichtsverhandlung durchzusetzen. Sie verzichtet auch in der Ehe nicht auf ihre Kunst. Welchem Normenkatalog insbesondere Künsterlinnen im 19. Jahrhundert ausgesetzt waren, beschreibt Beate Rygiert auch am Beispiel der Freundin und Komponistin Fanny Hensel.

Warum um alles in der Welt wollte Fanny ihre Musik nur hier in den eigenen vier Wänden pflegen? „Weil Felix es nicht will“, gab ihre Gastgeberin ihr die Antwort. „Weißt du, ich komponiere seit beinahe dreißig Jahren“, fuhr sie fort. „Mein Vater war allerdings strikt dagegen, dass ich damit an die Öffentlichkeit trete. Er hat mir dieselbe musikalische Erziehung gewährt wie meinem Bruder, unter einer Bedingung: dass ich niemals öffentlich als Musikerin auftreten werde.“

Dieses Schicksal bleibt Clara Schuman erspart. Sie komponiert, ihre Werke werden gespielt, sie geht auf Konzertreisen - allerdings auch weil sie damit die ökonomische Existenz der Familie Schumann sichern muss. Acht Kindern wird sie das Leben schenken und immer wieder an ihre Grenzen stoßen beim Spagat zwischen der Familien- und der Kunstwelt. Auch weil sich die Vorzeichen für die schwere Erkrankung ihres Mannes immer mehr verdichten.

„Als er von seinen Ängsten sprach, an einem Nervenfieber zu leiden, erschrak Clara bis ins Mark. Einmal fand sie Roberts Tagebuch offen neben seinem Bett, während er schlief, und sie konnte nicht anders, als seinen letzten Eintrag zu lesen : Wer bist du?, stand dort. Ich kenne dich nicht. Und darunter, wie als Antwort: Ich jedoch kenne euch wohl. Da war Clara ein Schauer über den Rücken gefahren, wie schon lange nicht mehr.“

 Man könnte tatsächlich mehrere Leben mit den ereignisreichen Dekaden der Clara Schumann füllen: das schwierige Elternhaus, die intensive Liebe zu einem zunehmend kranken Ehemann, acht Kinder, ein äußerst erfolgreiches Berufsleben, und (vermutlich) ein 14 Jahre jüngerer Geliebter. 

Leider endet der Roman kurz nach Roberts Schumanns Tod und bezieht somit nicht die letzte 35- jährige Schaffensphase der Clara Schumann mit ein. Auch ist es schade, dass das Hörbuch ohne eine einzige Note von Clara oder Robert Schumann auskommen muss. Doch gelingt es der Schauspielerin Tessa Mittelstaedt, sich mit wechselnden Klangfarben mühelos in sämtliche Rollen einzufühlen. Es ist eine spannende Reise in die Zeitgeschichte, 10 Stunden und 22 Minuten lang, zu „buchen“ beim Audio Verlag für 17 Euro.

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Seniva Winterwerb